Heimatblatt 2006

th2006Adieu, wir bleiben zusammen

Zeugnis   barocker   Sakralarchitektur“

Balkitalarabien   im   Banat

Temeswar   im   Jahre   1841

Denkmal der Treue

Wie  ein  Hauch  in  der   Dämmerung

 

 

Alexander_Ternowits„Adieu,  doch   wir   bleiben   zusammen“

Alexander „BUJU“ Ternowits’ Abschied von der Theaterbühne

von Dr. W. Alfred ZAWADZKI

Am 25. Februar 2006 fand im Spiegelsaal der Temeswarer Oper die Verabschiedung vom „Josefstädter Franzi“, vor zahlreichem Publikum statt. Es fehlten bloß das Deutsche Forum und die Banater Zeitung?!?

Der bekannte Temeschburger Schauspieler und Humorist blickt auf eine erfolgreiche, fünfzigjährige Bühnentätigkeit zurück. Für unsere Heimatstadt ist er eine lebende Legende, ein Original, eine Bühnenpersönlichkeit. Er spielte sowohl am Deutschen, als auch am Ungarischen und am Rumänischen Theater, mit der gleichen Überzeugung. Seine Fan-Gemeinde ist in der ganzen Welt verstreut und hebt in diesem Jahr das Glas auf einen „Volksschauspieler“, der sich in die Herzen seines Publikums gespielt hat.

Geboren in Lugosch, machte sich Buju  zuerst im Sport einen Namen. Die Leichtathletik hat es ihm angetan. Als Sprinter wurde er sogar Landesmeister. Er studierte Agronomie und war längere Zeit Leiter des staatlichen Rekascher Weingutes.  Zum Theater kam er erst 1957, wo er in vielen Rollen glänzte. Er entwickelte eine eigene Umgangssprache und präsentierte seinem begeisterten Publikum als „Josefstädter Franzi“ einen typischen Sprachmix aus deutscher Stadtmundart, schwäbischen, rumänischen, ungarischen und jiddischen Brocken, der nur an zwei Orten auf der Welt gesprochen und erkannt wird: in den Wiener Vorstadtbezirken und in Temeswar, vor allem in der Josefstadt. 

Nach dem Umsturz 1989, schwamm Buju gegen den Strom. Unsere Landsleute verließen Rumänien, er kehrte nach Rumänien zurück und verbuchte große Erfolge als Schauspieler am Deutschen Sataatstheater, als Romeo in einem Kishon-Stück und als Partner von Bernd Böhmches in der B & B-Show. Im Jahr 2002, mit 73 Jahren, hat Buju zum zweiten Mal geheiratet. Seine schöne Frau hat ihn gezähmt. Er ist ruhiger geworden, weiser, ausgeglichener.

Buju hat der „Alten Dame Temeswar“ 50 Jahre treu gedient. Dafür wurde er zum Ritter des Kulturordens gekürt. Möge uns SIR FRANZI TERNO-WITZ aus der Josefstadt, mit seinem Charme, Witz und seiner einmaligen Persönlichkeit, noch viele Jahre erhalten bleiben Wir wünschen ihm viel Gesundheit, Glück und Freude  an der Seite seiner schönen Frau Ana, im Kreise derer, die ihm lieb und wertvoll sind.

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Dom_TemZeugnis   barocker   Sakralarchitektur“

Dr. Swantje Volkmann über Geschichte des Temeswarer Doms

 von Dan C¥r¥midariu

Der erste Führer des Hohen Doms zu Temeswar (Domkirche Sankt Georg) ist unlängst erschienen; verfasst wurde er von Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für Osteuropa beim Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm. Dr. Volkmann hat bereits im vorigen Jahr durch die Ausstellung “Steingewordener Glaube . Kirchliche Architektur im Banat“ ihr Interesse für die katholischen Sakralbauten des Banats und für deren barocke Architektur bekundet – nun hat sie sie in einem Führer zusammengefasst, der äußerst professionell und sachbezogen die bauliche Geschichte des größten barocken Sakralbaus in Südosteuropa festhält und der durch seine Präzision und wohl fundierte Argumentation sowohl für Touristen als auch die für Fachleute und Fans der Temeswarer Stadtgeschichte von Interesse sein wird.

Zu bemerken ist, dass trotz zahlreicher Abhandlungen zur Geschichte des Temeswarer Doms, ein solcher Führer leider erst jetzt veröffentlich wurde.

Deshalb auch die dringende Notwendigkeit, den Führer ins Rumänische, aber auch ins Ungarische oder Englische zu übersetzen und ihn dann sowohl durch die Temeswarer Diözese als auch durch Buchhandlungen in Temeswar vertreiben zu lassen. Zumal das Temeswarer Bistum im September 2004 den 250.

Jahrestag gefeiert hat, seit Bischof Franz Anton Graf Engl von Wagrain die erst Hl. Messe in der Kirche gefeiert und den Dom geweiht hat. In diesem Jahr werden auch 975 Jahre begangen, seit der Gerhard von Sagredo zum ersten Oberhirten der Diözese ernannt wurde, deren Sitz man 1733 nach Temeswar verlegte und die Sankt – Georgs - Kathedrale auf dem Domplatz zur bedeutendsten Bischofskirche machte. Laut Volkmann zählt der Dom zu „ den herausragenden Zeugnissen barocker Sakralarchitektur in Südosteuropa“.

Der Domführer, der unter exzellenten graphischen Bedingungen erschien, enthält eine knappe Darstellung der Temeswarer katholischen Diözese sowie der Geschichte der Stadt an der Bega. Die Kunsthistorikerin Dr. Swantje Volkmann hält in Wort und Bild (Reproduktionen nach Originalplänen) den geschichtlichen Rahmen fest, in dem zwischen 1736 und 1774 die Domkirche gebaut wurde und erläutert die Problematik um die Urheberschaft und den verzögerten Bau der „Hauptkirche eines Landes…“. Die Autorin bietet eine detaillierte Beschreibung der Kirche, geht auf die Entstehung der Altäre, der Malereien und der Statuen in der Domkirche ein. Dabei verwendet sie verschiedene Quellen, von Franz Griselinis Banater Monographie (1780) über Johann Nepomuk Preyer bis hin zu Anton Tafferner, Adriana Buzila und Hans Diplich.

Erwähnenswert sind die ausgezeichneten Fotos aus dem Innenraum der Kirche (geschossen von Martin Eichler, München) und die Pläne aus dem Jahr 1762, die eigentlich eine viel größere Kirche vorsahen als diejenige, die heute den Domplatz schmückt.

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Balkitalarabien   im   Banat

von Dr. Vera DREICHLINGER

In Anlehnung an das Land „Maghrebinien“ Gregor von Rezzoris, kann man die Städte des Banats im (neu erschaffenen?) Land Balkitalarabien wähnen. Das Land befindet sich in Umbruch, gründet Vieles noch auf die alten, abgewählten Strukturen des unseligen Sozialismus, baut aber kräftig auf die Zukunft. Die Reise dorthin ist eine Reise in eine verwirrende, andere Welt. Quo vadis Rumänien?

An der Grenze: freundlicher und in schmucker Uniform steckender Grenzler; schaut sich die Pässe an und fragt nach bekanntem, alten Muster: „Wohin reisen sie?“ Die ziemlich barsche Antwort-Frage des Ankommenden: „Was geht sie das an? Noch immer die alten Fragen und Methoden?!“ überhört der junge Mann, bleibt freundlich und zeigt bereitwillig den Weg zur Geldwechselstube. Dort sitzt eine junge, nette Frau und zählt die Millionen Leu ab, die sie im Wechsel für einen hundert € herausgibt. „Staunen sie nicht, wir sind alle Millionäre!“ – mit dieser freundlichen Bemerkung schiebt sie das exotisch scheinende, dicke Bündel hinüber zum Kunden.

Das Lächeln der beiden Menschen überzeugt jedoch vom Wandel, vom neuen Wind. Die Landstraße nach Temeswar (eine Halbemillionenstadt), wie auch fast alle Landstraßen, ist relativ gut befahrbar, umso schlimmer jedoch die Straßen der Städte Balkitalarabiens, die nur in den Fußgängerzonen unfallfrei begehbar sind. Diese Zonen jedoch überzeugen vom Talent und dem guten Geschmack ihrer Architekten und Gestalter!

Wenn einem ein Fahrbarer-Untersatz auf der eigenen Straßenseite entgegen kommt und der Bundesrepublikaner in seiner Panik das Land Balkitalarabien verflucht, so ist diese Fahrweise kein Verstoß gegen die Verkehrsregeln, sondern nur ein Ausweichmanöver. Meterbreite, halbmeter tiefe Löcher erheitern doch nur die langweilige Autofahrt! Und das Loch an Loch liegend, überall auf allen Straßen aller Städte! „Lassen sie ihren Wagen auf dem Hotelparkplatz, die Taxen sind für sie billig, die kaputten Stoßstangen jedoch auch für sie teuer!“ – mahnt einer der vielen, freundlichen Taxifahrer und hat Recht. Für 2-4 € kann man sich durch Temeswar kutschieren und rütteln lassen. Ganz abgesehen von der sehr aggressiven Fahrweise aller Autofahrer Balkitalarabiens! Als Bundesrepublikaner soll man sein Auto schonen, und sehr vorsichtig sein, auf sein Leben achten!

Wie schon erwähnt: auf den Bürgersteigen kann man nicht flanieren, man muss mit der Nase nach Unten zum Gehweg und mit den Augen ständig suchend, Löchern, Hügeln, Staub- und Schlammgruben ausweichen. Die Damen stöckeln auf Pfennigabsätzen, oder auf Plateauschuhen kreuz und quer durch die Städte. Unfallfrei? Danach soll man nicht fragen, Vermutungen werden lächelnd abgewimmelt: “Übungssache!“

Temeswar ist eine Großstadt, die mit charakteristischen, alten Gebäuden Wiener Prägung, gewesenen Zeiten nachschmachtet: die alten Paläste stehen noch immer felsenfest, doch mangels Geld für Renovierungen, bröckelt ihre Stuckpracht langsam vor sich hin. Die eine Seite der berühmten Lloydzeile (der „Corso“ = Flaniermeile) ist in Ordnung gebracht, die gegenüber liegende Andere (der einstige „Surogat“ = Ersatzcorso), schämt sich weiterhin seiner Schäbigkeit. Zwischen rumänischer Kathedrale und der Oper prangt der wiederhergestellte Blumenpark mitsamt altem „Fischbrunnen“ und der Statue mit der „Romulus- und Remus-säugenden Wölfin“, bietet Bänke zum Sitzen und Ruhen an. Eine Romafrau schläft mitten im Trubel spielender Kinder, sinnierender Alten und zahlreicher, gurrender Tauben. In dieser herrlichen Anlage muss das Interview des rumänischen Fernsehens mit der deutschen Autorin ständig Gaffern, unbedingt teilnehmen wollenden Fußgängern und Kanal reinigenden, laut röhrenden Fahrzeugen ausweichen.

Der Mittelstand beginnt sich zu rühren, die Baustellen an privaten Häusern wirken dreckig und chaotisch. Eben: orientalisch-unordentlich. Doch es wird wieder gearbeitet. Die neugierige original-deutsche Bundesrepublikanerin bewundert: „die mal so reiche Stadt, deren Spuren deutlich zu sehen sind!“ Aber sie fragt nicht verstehend: „ Warum wird in diese Paläste nicht investiert, warum nicht renoviert; bei uns greift jeder Mieter zu Farbe und Pinsel!“ Die Tatsache, daß man im besten Fall die eigene Wohnung, aber kein Staatseigentum in Ordnung bringt, bleibt unverstanden und wird mit einem Kopfschütteln quittiert.

 Die Westuniversität mit 11 Fakultäten boomt, steht in harter Konkurrenz mit vielen, neu gegründeten Privatuniversitäten. Im Allgemeinen nur Ablagen für ausrangierte, alte, trottelig gewordene Professoren. Die staatliche Universität hat jedoch seine Zeiten als Araber-Ausbilder hinter sich. Dafür sind jedoch die Städte Balkitalarabiens auf die Gelder der dereinst (angeblich?) hier Ausgebildeten angewiesen. Nebenbei die Bemerkung einer Universitätsprofessorin: „Für Geld kann man bei uns selbst Medizinerdiplome erstehen!“

Ganze Straßenzüge, auch unter Denkmalschutz stehende Häuser, verbreiten mit ihren von vorne bis hinten in die Gärten stehenden Basaren nicht nur orientalischen Flair, sondern provozieren auch den Unmut der trotzdem dort einkaufenden Einheimischen! Billigware. Demgegenüber glänzen die eleganten italienischen Geschäfte, deren Schaufenster überquellen und die von Möbeln, Schuhen, Kleidung bis Haushaltswaren, gar Vieles anbieten. Wer kann das bezahlen, wer hat so viel Geld? Das Jammern um „Westpreise“ stimmt nicht, die Preise sind zwar höher, als die der „normalen“ Geschäfte, doch erreichen sie keinesfalls „Westniveau“. Metro, Praktiker, Obi-Markt, alle stehen am Rande der Städte und verdienen wahrscheinlich genug, um nicht schließen zu müssen. Araber, Italiener, einheimische Neureiche, die überall wahr zu nehmenden Roma, wer kauft dort ein? Keine Antwort. Nur in der Stadtmitte sieht man geschmackvolle Schaufenster, schon nebenan ärmliche Ausstellung eigentlich schöner Ware. In Kellerlokalen kleine Geschäfte, Friseurläden, Handwerker aller Art. Manchmal sind diese Keller feucht, Schimmel wächst dem Kunden von den  Wänden entgegen. Die Mieten sind vergleichsweise groß, oder klein, je nach welchem Standpunkt dies beurteilt wird. Für ein dreigeteiltes Kellerlokal 50 € Monatsmiete bei einem Verdienst von 80-100 €, da bleibt den Inhabern nicht viel übrig für das Leben. Ein Taxefahrer verdient um die 80 €, ein „normaler“ Rentner 40-60 €. Wo von wird gekauft? Dies gehört zu den großen Geheimnissen Balkitalarabiens. Die stadtteilmäßig verteilte Markthallen bieten alles an, was Leib und Seele beisammen hält. Schöne, vielfältige Lebensmittel, inklusive Fleisch! Die Preise sind für Westler mehr, als nur billig, jedoch nicht so für das einheimische Volk. Trotzdem wird gekauft, Essen gehört zu den Lieblings- und Hauptbeschäftigungen Balkitalarabiens. In diesen Markthallen duftet es von schönsten und vielfältigsten Blumen, die man auch an vielen Straßenecken erstehen kann.  Endlich wieder Blumen, die unter dem „Großen Führer“ kaum oder gar nicht zu sehen waren.

Die Banken boomen ebenfalls: Rumänische Nationalbank, Rumänische Bank für Entwicklung, Tiriac-Bank mitsamt Versicherung und viele andere Banken. Die Türkisch-Rumänische Bank macht charmanter Weise den Übergang zum Orient, wie auch die zahlreichen Tankstellen dieser Art. Die Banken bauen sich protzige Glaspaläste, man dünkt sich in Frankfurt oder Düsseldorf. Manchmal gehen sie zwar Pleite, manchmal stehen einige in den internationalen Schlagzeilen wegen Betrug, Schmuggel und ähnlicher, dubioser Geschäfte; aber sie machen weiter, das Geld, alle internationale Währungen wie auch die eigene Billigwährung, rollt hektisch, offen und sichtbar auf den Straßen, in den Geschäften, in den Hotels! Geldwechselstuben überall: schnell, angeblich korrekt, manchmal vielleicht eben nicht, aber der Mensch muss keinen Ausweis vorlegen und bekommt prompt die erwünschte Währung in die Hand. Manchmal falsche Dollarnoten, sicherer sind noch die Euronoten, da sie nur seit Kurzem als Zahlungsmittel Balkitalarabiens eingeführt wurden. Bislang galt der Dollar als Solches. Die eigene Währung wurde und wird nur wenig geschätzt und ist praktisch nur am Markt und in kleinen Läden gültig.

 Kommunistische und schon bröckelnde Plattenbauten, dreckig und schäbig die Fassaden, überragen alte Paläste, renovierte Kirchen der rumänisch-orthodoxen Gemeinden, ebenfalls in Ordnung gebrachte katholische Kirchen und reformierte-calvinistische Gemeindehäuser. Niegel-nagel-neue Neureformierte Adventistische und Baptistische Bethäuser prangen neben und zwischen zweifelhaften Gebäuden der Medizinischen Universitätskliniken. Ein völliges Durcheinander nicht nur der Gebäude, der Zeitalter, sondern auch der Bevölkerung, der Gesinnungen, des Lebens.

In den Straßen sieht man, weil gestenreich und hört man, weil laut, die Italiener. Sprachlich dem Rumänischen verwandt, dominiert Italienisch neben der einheimischen Sprache das Land. Und telefoniert per Handy. Ebenfalls hör- und sichtbar. Überall. Italienischer Chic kleidet die Damen, hervorragende Materialien, guter Geschmack. Wer bezahlt das? Italienische und arabische Männer fahren in mehr oder weniger dicken Autos auf den Straßen, kaufen und verkaufen alles. Erwerben per Strohmänner Ackerland; aber: endlich sind beiläufig 80% der Ländereien bebaut und bringen, wie vor vielen Jahrzehnten, reiche Ernte. Häuser werden von Italienern eben so gekauft, wie von Arabern und Roma. Zigeuner, sagen althergebrachter Weise und einfach die Einheimischen. „Gucken sie mal, - sagt ein Taxikutscher – die ganze Straße, vor einigen Jahren noch dem Geheimdienst gehörende Villen, jetzt alles nur Besitz von Zigeunern!“ Hotels und Gaststätten sprießen aus der Erde wie Pilze nach warmem Regen. Gute und berüchtigte, weil mit schlechtem Ruf behaftete, kleine und größere Hotels und Gaststätten. Hygienisch einwandfreie, wie auch solche, mit nur einer zweifelhaften Toilette ausgestattete. Rumänische, balkanisch-serbische, kroatische, türkische, arabische, italienische, eben: balkitalarabische Gastfreundschaft und Geschäftstüchtigkeit verwöhnen, oder verschrecken das hungrige, aber geschäfts-mißtrauische Volk. Es wir rauf-und runter-gehandelt und gefeilscht; der Dumme ist der Verlierer. Je nach dem Standpunkt des Betrachters, oder des Insiders. Trotzdem: alle Freß-und Saufhäuser sind voll! Geld scheint keine Rolle zu spielen!

Nicht rumänische Staatsangehörige dürfen kein Land, kein Grundstück erwerben. „Wir verkaufen Rumänien nicht!“ lautet die Staatsraison. Kein Problem. Strohmänner und Frauen, rumänische Staatsangehörige mit oder ohne Trauschein, springen gerne ein. In den Bars, in Hotelhallen, kommen und gehen Fremde und Einheimische; Baupläne, Grundbuch-Ausrisse, wie auch die des Kataster-Amtes liegen auf den Tischen; Dollar und Euro wechseln von Mensch zu Mensch. Balkitalarabische Geschäfte. Dickes, neuestes Mercedes-Modell mit Frankfurter Kennzeichen rollt vor. Junger, geschleckter Zigeuner mit Älterem dicken, steigen aus. In der Hotelbar wartet auf sie ein Araber und ein Einheimischer. Keiner wohnt im selben Hause. Exotisch-dicke Geldbündel wechseln eben so den Inhaber, wie auch irgendein Gebäude oder ausgedehnte Ackerflächen. Alltag in Balkitalarabien. Notare schauen auf keine Pässe, nur auf die ausgehandelten Summen auf deren Grundlage ihre Gebühren beruhen. Gaststätten, Hotelbars und Hotelhallen sind orientalische Basare voller Verkäufer und Käufer. Diskretion wird angeblich überall mitgeliefert. Eben so angeblich, schaut die Bedienung weg, nicht hin, zu den Bauplänen und Geldbündeln.

Sprachenwirrwarr überall. Aber: kaum noch hörbar die Deutsche, einmal prägende Sprache des Banats. Aber nicht mehr die Sprache Balkitalarabiens. In den Dörfern zerfallen behäbige, einstige deutsche Häuser. Auffallende und wohltuende Ausnahme ist das Dorf Wolfsberg in den Banater Bergen. In diesem Dorf haben einstige Einheimische und heutige deutsche Bundesrepublikaner oder Österreicher sich wieder „eingekauft“, haben ihre gewesenen Häuser mittels Strohleuten vom Staat zurück erworben, schmuck renoviert. Für eigene Urlaubszeiten, oder als Ferienhäuser für müde Balkitalaraber. Balkitalarabische Lebensweise auf nostalgische, deutsche Art. Dennoch: gut ausgestattete Schulen, PC-s_überall und auch in den eigenen vier Wänden; Englisch hat das vornehme Französisch der Rumänen eben so verdrängt, wie auch die deutsche Sprache des Banats.

Armut kennzeichnet das Land. Jedoch nicht mehr so auffällig viele Bettler, wie vor 7 Jahren, die auf den Straßen und vor den Hotels die Fußgänger belästigen. Mülleimer und Müllabfuhr á la Bundesrepublik Deutschland (die das Modell und die Finanzen dafür geliefert hatte); Straßenbahnen eben so. Die allerdings holpern und springen auf alten Geleisen auf und ab, manchmal auch daneben. Deren Infrastruktur wird neu gebaut, insbesondere im Herzen der Stadt. Die Geldgeber dafür sind schlauer geworden, lassen von den rumänischen Städten Kilometer für Kilometer vorfinanzieren; nach der Fertigstellung folgt die Abnahme und nur wenn in Ordnung befunden, dann erst fließen die Gelder für das Kilometer gebaute Strecke. Diese Art Bauarbeit dauert ewig, geht mehr, als nur langsam voran. Die Arbeiter lassen sich viel Zeit für ausgedehnte Pausen. Wer kontrolliert sie? Neue Hotels, neue Banken, entstehen viel schneller: die Eigentümer sind nahe daran, scheuchen die Arbeiter. Naja, mehr, oder weniger: Balkitalaraber sind gemütlich und plauschen gerne. Oder telefonieren per Handy. Eine Seuche ist das hier!

Der öffentliche Stadtverkehr funktioniert relativ gut. Neben den schon erwähnten Straßenbahnen, in Rumänien, wie in Frankreich „Tramway“ genannt, zirkulieren Firobusse durch die Stadt. Falls ihre Stromabnahme-Tentakeln wieder Mal von ihren Stromleitungen fallen; dann stehen sie und das Volk muß zu Fuß weiter laufen. Dicht rund um das Herz der Städte, auf breiten Straßen, zuckeln auch Pferdewagen durch die Gegend. Mit jeweils einem oder zwei gepflegten Vierbeinern und einem weniger zivilisierten Zweibeiner als Kutscher mit ruhender Peitsche. In dieser Hitze döst man lieber auf dem Bock und läßt Autos allerlei Kategorien rund herum wuseln und hupen. Das Verkehrsbild der Städte Balkitarabiens ist halt kunterbunt!

Jeder in Rumänisch angesprochene Taxekutscher stellt sofort die Frage: „Wo wohnen sie?“ „Im eben angegebenen Hotel.“ „Nein, wo leben sie?“ Aber er ist glücklich, vom Bundesrepublikaner in der eigenen, rumänischen Sprache angesprochen worden zu sein. Manchmal ist selbst ein Handkuß dafür fällig. „Wie gefällt es ihnen hier?“ .....  „Tja, leider, sie sehen es ja überall, die vom Ausland, von der EU erhaltenen Gelder fließen in falsche Taschen. Nicht dorthin, wofür man es bekommen hat!“ Aber sie alle sind stolz, sehr stolz darauf, daß der sozialistische Spuk, mitsamt der „Herrscherfamilie“ der Vergangenheit angehört. „Wir haben sie verjagt, wir lassen das nicht noch einmal zu!“ lautet die allgemeine Meinung. Die Meinung, die von der mehr, als nur freien Presse (vielleicht sogar freiere als die Unsere!), laut und deutlich verkündet und verteidigt wird. Bei der Presse, in der rumänischen Literatur und Kunst hört das Gebilde Balkan+Italien+Arabien, eben Balkitalarabien, auf zu existieren: Rumänien ist ihr Land, ihr freier Staat. Araber, Italiener, Balkanesen sind willkommene, Geld gebende Ausländer, das Volk besteht aus Rumänen und den mehr, oder weniger dazugehörenden Minderheiten.

Rumänien, ein aufstrebendes, der Zukunft zugewandtes Land. Quo vadis, Rumänien?

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Temeswar   im   Jahre   1841

Eine Beschreibung des Reisenden Johann Georg Kohl

von Heinrich LAY

In seinem Buch "Hundert Tage auf Reisen in den österreichischen Staaten." Vierter Theil. Reise  in Ungarn. Zweite Abtheilung. Dresden und Leipzig 1842, beschreibt Johann Georg Kohl seine Reise durch das Banat, die er vom 20. August bis 26. September 1841 unternommen hatte. Unter dem Titel "Temeswar und die banatischen Fieber" und "Die banatischen Niederungen und ihre Colonieen" hat Kohl auf 54 Seiten (von S.183 bis 237) seine Fahrt auf der Route von Lugosch über Rekasch - Temeswar - Alexanderhausen - Grossanktnikolaus und weiter nach Ungarn beschrieben. Der Teil seiner Beschreibung, der sich auf die sanitären Zustände in Temeswar bezieht, wurde in "Temeschburg - Temeswar" Hrsg. HOG Temeschburg - Temeswar. 1994, S. 207-209 unter dem Titel "Schwüle Windstille. Wie in Holland und Ägypten" veröffentlicht. Die weitere Beschreibung der Stadt an der Bega soll hier fortgesetzt werden.  

Tem1841Über die Person des Johann Georg Kohl schreibt Dr. Anton Peter Petri in seinem "Biographischen Lexikon des Banater Deutschtums." Marquartstein 1992, Sp. 977 und 978, dass er am 28. April 1808 in Bremen geboren wurde und am 20. Oktober 1878 ebendort starb. Er war Reiseschriftsteller und bereiste zwei Jahrzehnte Europa und Nordamerika. In Ungarn und im Banat weilte er, wie oben erwähnt, im Herbst des Jahres 1841.

Als "... ich durch die lange Vorstadt "Fabrik,"  dann abermals durch ein weites sumpfiges Glacis (Abdachung der äußeren Brustwehr einer Festung) gefahren, endlich in den inneren Kern der Festung gekommen..." bin, habe ich im "... "Trompeter," einem der beßten Wirtshäuser, die man sich überhaupt wünschen kann," Quartier bezogen.

"Die Stadt Temeswar ist eine der beßtgebauten und größten in Ungarn. Sie hat nahe an 20.000 Einwohner1) und schließt sich in Hinsicht ihrer Bauart an Ofen, Pesth, Raab (Györ) und andere solche meistens von Deutschen gebaute Städte an, weil sie eben auch größtentheils von Deutschen oder doch unter deutscher Verwaltung gebaut wurde. Sie hat mehre sehr schöne Straßen und einzelne ganz  ausgezeichnete Gebäude, insbesondere die innere Stadt oder Festung welche auch nach einem sehr regelmäßigen Plane angelegt ist.

Bei'm ersten Regen, der mich noch auf dem Markte der Stadt traf, flüchtete ich in's Comitatshaus. Hier fand ich, wie gewöhnlich in den ungarischen Comitats-Häusern, eine Menge mit schweren Ketten beladener Menschen aus- und eingehen, Weiber sowohl als auch Männer, welche Wasser zutrugen, Steine herbeischleppten und dergleichen. Ich fragte meinen Begleiter: "Was sind das für Leute?" "Das sind solche Leute," sagte er, "die Raub, Mord, Todtschlag und dergleichen begangen haben...Es ist ganz unleidlich, dass in allen ungarischen Städten solche Leute auf offenem Markte herumgehen..."

"Die Stadt ist ganz neu und hat sonst gar nichts mehr aus der türkischen Zeit. Ehemals gingen die Sümpfe bis mitten in die Stadt hinein, und man soll noch vor 70 Jahren zuweilen mitten in der Festung Enten auf dem Wasser haben schießen können, wo jetzt solide Häuser stehen.

Tem1859Gute süße Brunnen giebt es noch jetzt nicht in der Stadt. Man hat vergebliche Versuche mit artesischen Brunnen gemacht. Nur in der Vorstadt sind einige gute, trinkbare Quellen. Bei einer der beßten und ergiebigsten hat Maria Theresia eine Wasserleitung angelegt, welche in zwei eisernen Röhren das Wasser in das Innere der Stadt und Festung führt. Im Sommer ist dieses Wasser oft ganz lauwarm. Zuweilen verstopfen sich die Röhren, oder es passirt sonst ein Versehen bei ihnen. Dann feräth ganz Temeswar in große Noth, denn sie leidet an zwei entgegengesetzten Mängeln. Sie hat zu viel Wasser und zu wenig. Man hilft sich in solchen Fällen mit dem Wasser aus dem Begacanal...".

"Temeswar, welches ungefähr in der Mitte des ganzen Banates liegt, ist auch der Haupthandelsplatz des ganzen Landes, und zwar um so mehr, da hier auch die erste Möglichkeit gegeben ist, die Waaren auf dem Begacanal einzuschiffen. Dieser Canal geht mitten durch das ganze Banat hin und ist der große Abzugscanal für alle die Waaren, die dieses reiche Land an andere abgeben kann. Durch diesen Canal gelangen seine Früchte und sein Getreide  auf kürzerem Wege in die Donau als mittels der Maros und Theiß. Auf der Donau gehen die banatischen Kornschiffe nach Raab hinauf  und von da nach Wieselburg (Moson) und weiter."

Bei einem Spaziergang auf der Promenade begegne ich "...recht artige Anlagen, aber eine Unzahl kleiner Frösche hüpfen darauf herum. Die Frösche sind aus keinem Keller von Temeswar zu vertreiben, und sowie man diese Thiere hier sieht, so hüpfen und hocken sie auch hinter den Weinfässern, in den Brunnen, in den Gefängnissen der Verbrecher, in allen Souterrains (Kellergeschöße, Gewölbe auch Schliche).

Ich ging mit einem Umwege auf dieser Promenade... bis zum Zeughaus. Dieses interessante alte Gebäude, das mich in vieler Hinsicht an das alte Schloß der Könige von Polen in Krakau erinnerte, war ehemals das Schloß des  Johann Hunyades, des Vaters von Mathias Corvinus.

Später, glaube ich, haben hier die türkischen Commandanten von Temeswar gewohnt, und jetzt enthält es eine Rüstkammer mit Waffen für 30.000 Mann. Unter diesen Waffen befindet sich auch manches Interessante, so z.B. in einer besonderen Abtheilung des Arsenals eine Masse von "Sturmspießen", Sensen und alten Lanzen für den ungarischen Landsturm, oder... wenn man das Volk bewaffnen will. Auch die alten abgenutzten Gewehre der Soldaten kommen in dieses Arsenal. Wenn sie zum Dienst untauglich geworden sind , so sägt man das schlechte Ende ab und giebt den Rest den Bauern in die Hand. Auf die Türken können sie doch noch damit schießen. Ich weiß nicht, ob hier in der türkischen Gränzprovinz, dem Banate, vielleicht der Landsturm noch etwas anders organisiert ist, als in dem übrigen Ungarn  die Insurrection (Heerbann, Aufgebot).

Auch türkische Waffen waren noch mehre da, die man vielleicht nach 100 Jahren, wenn die Türken einmal aus Europa ganz gewichen sein werden, mit größtem Interesse sehen wird...  

Auch die Kanonen, die unter Karl VI. gegossen wurden zeichnen sich ...durch Pracht und Zierlichkeit aus..."

Nicht zuletzt besuchte unser Reisender einen hochgeachteten Geistlichen "...in dessen lehrreicher Gesellschaft..." er "...ein angenehmes Stündchen zu verbringen..." beabsichtigte. "Kenntniß und Bildung sind überall wohltuende Erscheinungen; aber wenn sie uns in Ländern begegnen, die so entfernt von den Mittelpuncten der europäischen Cultur liegen, so heißt man sie doppelt willkommen. Ich hatte in Temeswar überall das Glück, nur mit freundlichen und gebildeten Leuten zu verkehren."

Die kurze Beschreibung von Temeswar im Jahre 1841, die von dem Reisenden Johann Georg Kohl vorgenommen wurde, entstand aufgrund dessen, was er gesehen, erlebt und was ihm von ortskundigen Leuten berichtet wurde. Daraus kann sich der Leser ein kleines Bild und eine begrenzte Vorstellungen von der damaligen Stadt an der Bega machen. Vielleicht werden in dem Bericht so manche Fragen betreffend die erwähnte Stadt aufgeworfen aber andere auch geklärt.

1) Laut Johann N. Preyers: "Monographie der königlichen Freistadt Temesvár". Temesvár 1853, S. 119 und 120 bestand die Bevölkerung von Temeswar im Jahre 1847 aus 18.103 und 1851 aus 20.560 Seelen. 

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Denkmal_TreueDas   Denkmal   der   Treue

von Richard WEBER

Am Rande des „Heldenfriedhofs“ (Cimitirul Eroilor) in Temeschburg steht, ein für viele Bürger unbekanntes, verlassenes und dem Zahn der Zeit ausgesetztes Denkmal. Der Besucher des Friedhofs stellt sich vielleicht die Frage, was wohl dieses Denkmal dargestellt hat.

Nun, dieses Denkmal stand über 80 Jahre lang, bis zum Jahre 1936, im Herzen der Stadt vor dem altehrwürdigen Rathaus (Stadthaus – jetzt „Altes Stadthaus - Prim¥rie veche“ genannt). Heuer sind es 70 Jahre, dass es aus dem zentralen Stadtbild Temeswars verschwand.

Das schlanke, hochaufragende, im neugotischen Stil erbaute Denkmal ist ein Stück Geschichte der Stadt. Die Errichtung dieses Denkmals wurde von Kaiser Franz Joseph I. persönlich am 9. August 1850 angeordnet. Als Anlass diente der erste Jahrestag des Sieges der österreichischen Armee über die ungarischen Revolutionäre, die 107 Tage lang Temeschburg belagerten. Es verkündete all´ die Jahrzehnte hindurch, das Gedenken an dynastische Treue, an soldatischen Heldenmut und an aufopferungsbereiten Einsatz. Das Denkmal wurde aber auch zum „Zankapfel“ der Temeschburger Bürger, zwischen Kaisertreuen und ungarischen  Hitzköpfen.  Die letzteren empfanden und bezeichneten es auch als „Denkmal der Schande“ („Szégyenszobor“).

Damit das Denkmal der Treue einen zentralen Standort am Parade-Platz (Prinz-Eugen-Platz, jetzt Freiheitsplatz - Pia¥a Libert¥¥ii) vor dem Rathaus bekommt, musste die hier seit 1753 befindliche „Marien- Nepomuk auch Pest-Säule“ genannt, ihren bisherigen Platz räumen. Im Frühjahr 1852 wurde sie, auf Befehl des Oberkommandierenden im Banat Johann Baptist Alexander Graf von Coronini-Cronberg, abgetragen und auf den Blasius-Platz, zwischen dem sogenannten „Mercyhaus“ und dem östlichen Flügel der Siebenbürger Kaserne überführt. Der Grundstein zu dieser Säule wurde am 20. Februar 1853 von Diözesanbischof Alexander Csajághi eingesegnet. (Im Jahre 1970 wird sie auf ihren ursprünglichen Standort, auf den ehemaligen Parade- Prinz-Eugen- jetzt Freiheits- Platz - Pia¥a Libert¥¥ii genannt, versetzt).  

Zur feierlichen Grundsteinlegung des Denkmals der Treue, traf Kaiser Franz Joseph I. in Begleitung des Erzherzogs Albrecht am 14. Juni 1852 in Temeschburg ein und nahm Quartier im Generalratshaus. In der Eingangshalle war an der rechten Seite der Mauer zur Erinnerung an dieses Ereignis eine Marmortafel angebracht, mit der Inschrift: „Franz Joseph I. Kaiser von Österreich hat am 14.,15. und 16. Juni 1852 in diesem Gebäude Allerhöchst sein Hoflager gehalten.“

Am 15. Juni 1852 legte Kaiser Franz Joseph I. den Grundstein zu dem von ihm angeregten Denkmal, zur Erinnerung an die heldenmütige Verteidigung der Festung während der Belagerung im Jahre 1849. Vom Kaiser wurde eine Denkschrift mit folgendem Wortlaut in den Grundstein niedergelegt: „Um Meiner Armee einen neuen Beweis dankbarer Anerkennung ihrer ruhmvollen Thaten zu geben, habe Ich zur dauernden Erinnerung an die hundertsiebentägige heldenmüthige Vertheidigung der Festung Temesvar und deren durch die denkwürdige Schlacht am 9. August 1849 bewirkten Entsatz, die Errichtung eines bleibenden Denkmals in dieser Stadt angeordnet. Meine Anwesenheit bietet Mir die sehr erfreuliche Gelegenheit, den Grundstein zu diesem Monumente eben heute legen zu lassen. Der Vollzug in Meiner Gegenwart wird hiermit bestätigt.“

Die Kelle und der Hammer, beide aus gehämmertem Silber, die der Kaiser bei der Grundsteinlegung gebraucht hatte, wurden viele Jahrzehnte im Festungskommando von Temeswar aufbewahrt. Eine andere Version besagt, dass die silberne Kelle im Armeemuseum des Wiener Arsenals aufbewahrt wurde. Am Abend fand eine Hoftafel statt, zu der auch 27 Offiziere eingeladen waren, die 1849 in der belagerten Festung kämpften.

Am 17. Januar 1853 fand die feierliche Enthüllung des Denkmals am Paradeplatz statt. Neben der hohen Geistlichkeit aller Konfessionen, nahmen der Statthalter (Zivil- und Militär- Gouverneur) der „Wojwodschaft Serbien und Temescher Banat“ Johann Baptist Alexander Graf von Coronini-Cronberg, der Temeswarer Festungskommandant Feldmarschall-Leutnant Carl Fischer von See und der Brigadier Generalmajor Carl Freiherr Wolf von Wachtentreu mit der ganzen Garnison an der Feier teil. Viele Offiziere, die an der Verteidigung der Festung teilgenommen hatten, wurden von dem Stadtmagistrat zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt. Anlässlich der Enthüllungsfeier des Monuments, erschien in der k.u.k. Filial-Staats-Druckerei in Temesvar, die Broschüre: „Rückblicke auf Temesvar bei der Enthüllungsfeier des Monuments am 17. Januar 1853 für die tapfere Vertheidigung der Festung im Jahre 1849.“

Das Denkmal wurde nach dem Entwurf des Architekten Joseph Andreas Kranner (Architekt, Steinmetz, * 13.6.1801 in Prag, 20.10.1871 in Wien)  und von ihm selbst im neugotischen Stil ausgeführt. Es hat eine Höhe von 66 Fuß (20 Meter). Aus einem als Festung angeordneten Unterbau, an dessen Fuß sich phantastische Ungetüme winden – diese versinnbildlichen das vergebliche Anstürmen der ungarischen Aufständischen gegen die Festung – erhebt sich ein zweiter mit vier vorspringenden Ecktürmen als Basis für die allegorischen Statuen, der Ehre, des Gehorsams, der Wachsamkeit und der Aufopferung, die der Wiener Bildhauer Joseph Max geschaffen hat. Aus diesem Bau steigt ein Baldachin empor, der von vier schlanken Pfeilern getragen wird. Unter diesem steht eine junge Frauengestalt, die die treu bewachten Schlüssel der Festung in den Händen hält. Sie personifiziert die Treue. Über der Baldachindecke erhebt sich dessen hochstrebende Bedachung, die - reich geziert - in einer Doppelblume endet. Die Vorderseite trägt noch über dem Baldachin das kaiserliche Wappen. Unter der Statue ist die Widmung angebracht: „Franz Joseph I. den heldenmüthigen Vertheidigern der Festung Temesvár im Jahre 1849.“ (Abb. 1)

Die Ungarn empfanden dieses Denkmal als Schmach. Sie unternahmen mehrere Versuche es aus der Stadt zu entfernen, doch ohne Erfolg. Im Jahre 1885 gelang, nach vertraulichen Verhandlungen zwischen Bürgermeister János Török und dem Korpskommandanten Graf Degenfeld-Schomburg, die Entfernung der Monsterfiguren vom Sockel des Denkmals durchzusetzen, von denen gesagt wurde, sie würden die ungarischen Freiheitskämpfer darstellen. Unter dem Vorwand der Renovierung wurde das Denkmal mit einem Bretterverschlag ganz eingehüllt. Als nach mehreren Wochen die Umhüllung abgetragen wurde, waren die Ungetüme verschwunden.

Im Jahre 1906 beantragten wieder einige Ungarn, das Monument zum Andenken an die Verteidigung der Festung im Jahre 1849 zu entfernen. Dies wurde aber vom Stadtmagistrat auf spätere Zeiten verschoben. Geml Josef stellt fest: ... welcher Antrag ... begründet erschien, jedoch mit Rücksicht darauf, dass hierzu die kaum zu erwartende Zustimmung des Königs notwendig wäre, andererseits das gute Einvernehmen zwischen König und Nation damals als sehr notwendig befunden wurde, hat die Generalversammlung diese Angelegenheit auf spätere Zeit verschoben.“

Am 27. Oktober 1918 wollten Demonstranten das Monument stürzen. Mit wilder Rohheit wurde dem Frauenstandbild Stricke um den Hals geworfen und ein Haufen halbwüchsiger Jungen zogen und zerrten unter Spott und Schimpf solange bis der Kopf der Statue sich lockerte und schließlich in den Straßenstaub fiel. Den Wüstlingen gelang es auch eine Hand der Statue abzuhauen. Das Denkmal selbst blieb fest. An den Hals der Statue wurde eine Tafel angebracht, mit der Aufschrift: „Österreich ist tot!“. Bürgermeister Geml wurde aufgefordert das Denkmal entfernen zu lassen.

Die vier Statuen (Ehre, Gehorsam, Wachsamkeit, Aufopferung) die einst das Denkmal zierten, mussten schon im Laufe der Zeit von ihrem Platz verschwinden. Als letztes wurde im Sommer 1932 das Frauenstandbild der Treue von seinem erhabenen Standort genommen. Bürgermeister Dr. Cornel Grof¥oreanu verfügte, dass dieses im Museum Aufstellung finden soll.  

Im Jahre 1935 beschloss die Stadtleitung unter Bürgermeister Prof. Augustin Coman  die Entfernung des „Denkmals der Treue“ vom Freiheitsplatz. Noch im Dezember desselben  Jahres begannen die Abbrucharbeiten des Monuments. „Es musste einem Geist weichen, der entweder nichts von der Geschichte der Stadt weiß, oder ihr derart fremd gegenübersteht, dass er sich in sie nicht einzuleben vermag“, heißt es in einem Artikel der Banater Deutschen Zeitung vom 25. Dezember 1935.

Nachdem das Denkmal ganz abgetragen war, wurde am 18. Januar 1936 der Grundstein des Denkmals freigelegt. Er wurde ins Stadthaus getragen und in Gegenwart einer Kommission bestehend aus Vizebürgermeister Dr. Geza Löffler, Kultursenator Emil Gr¥dinariu, Museumsdirektor Dr. Ioachim Miloia, Stadtrat Catalina, städtischer Chefingenieur Adrian Suciu und dem städtischen Archivar Ioan Barna geöffnet. Zum Vorschein kam ein metallener Behälter, auf dessen Deckel die Jahreszahl 1852 zu lesen war. In dem Behälter fand man ein schon sehr vermodertes Schriftstück, das Stiftungsdokument mit der Unterschrift Kaiser Franz Josephs, das bei der Herausnahme auseinanderfiel. Darunter lagen 12 alte Münzen  (Ein Ferdinandtaler -1848; Ein Ferdinandgulden -1848; Ein Franz-Joseph-Gulden -1852; Ein ungarisches Dreikreuzerstück -1849; Ein österreichisches Zweikreuzerstück -1848; Ein österreichisches Zweikreuzerstück -1851; Ein ungarisches Einkreuzerstück -1848; Zwei österreichische Einkreuzerstücke -1851; Zwei österreichische Einhalbkreuzerstücke -1851; Ein Einviertelkreuzerstück -1851) und 5 Stahlringe, die eine Inschrift trugen. Alles wurde dem Museumsdirektor zur Aufbewahrung übergeben.

Das abgetragene Denkmal der Treue wurde in einer Ecke des „Heldenfriedhofs“ wieder aufgestellt. Gegenwärtig steht es noch auf seinem jetzigen Standort, verlassen, verkannt, unbeachtet und wartet auf seinen vollkommenen Zerfall.

Das Denkmal wurde von verschiedenen Autoren als österreichisches Siegesdenkmal, oder auch Militärdenkmal bezeichnet. Soweit ich eruieren konnte, wird es zum ersten Mal als „Denkmal der Treue“ von Nikolaus Haupt, Redakteur der Banater Deutschen Zeitung in seinem Artikel „Abbruch des Denkmals der Treue“ (BDZ vom 25.12.1935 S.10) so benannt.

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Wie  ein  Hauch  in  der   Dämmerung

von Dr. W. Alfred ZAWADZKI

Was trieb einen Temeschburger hinaus in die Fremde? Die Antworten „Neugier“, „Hunger“, „Fernweh“, greifen in meinem Fall zu kurz. „Der Duft nach der großen weiten Welt“, vielleicht. Der „Durst nach Freiheit und Selbstbestimmung“, auch. Die Notwendigkeit sich selbst zu beweisen, dass man einen realen Wert hat. Mit Sicherheit.

Dass meine Generation in den Sozialismus hineingeboren wurde, dafür können wir nichts. Wir waren nur von Anfang an verurteilt uns durch Hindernisse zu dribbeln, die uns täglich frisch aufgestellt wurden. Und weil es uns gelungen ist, wir aber soviel Kraft vergeuden mussten, sollten wir alles tun, die Erinnerung an den Schmerz der Vertreibung aus dem „Paradies“ ständig wach zu halten!

So wie zigtausende, kehrte auch ich meiner Heimatstadt, für immer, den Rücken. Ich war 29 Jahre alt, als ich 1987 die Strapazen der Flucht auf mich nahm. Als ich nach wenigen Tagen in Deutschland einreiste, war ich geläutert, ein bisschen weiser und randvoll mit Großmut gegen die Verhärmten des Proleten-Sozialismus, die zurückgeblieben sind. Meine Tage waren ausgefüllt durch die Magie der Eindrücke, die wie Wassereimer auf mich einprasselten. Nachts kamen dann aber die fröstelnden Gestalten der Gewissensgötter, auf Traumwolken angereist und schütteten Fluten von Erinnerungen in meine heimwehgeplagte Seele.

Mit der Zeit gewöhnte ich mich daran. Nicht aber an den durch Arbeit und Technisierung „optimierten“ Mitmenschen, der kühl, fast herzamputiert sein Dasein in einer hektischen Großstadt fruchtete. Eine allzu kühle Gesellschaft, in einer Stadt ohne Herz? Wo bin ich denn bloß gelandet? Vom Gefühl her, war ich eingebildet, von meiner Vaterstadt verwöhnt, wo jeder Temeswarer sein Herz auf der flachen Hand mit sich herumtrug. Sozialismus, Vetternwirtschaft, Diktatur und Nomenklatura haben die Sinnbilder getrübt, verwässert und verfälscht. Das mit viel Herz geschaffene Kulturgut der Deutschen aus Temeswar, vielschichtig und expressiv, in Jahrhunderten verankert - der Stachel im sozialistischen Fleisch – war jedoch nicht klein zu kriegen. Der Todesmut der Vaterlandsflüchtlinge, das unendlich ertragene Leid von Verschleppung, Deportation und Enteignung, die jahrzehntelangen Schikanen gegen die deutschstämmige Bevölkerung konnten nur mit einem stolzen Herzen ertragen werden. Mit einem Organ aus dem man Übergröße schöpfte um  seiner eigenen Fehlerhaftigkeit nicht begegnen zu müssen. Im Herzen sind wir unserer Identität bewusster denn je gewesen, selbst in Zeiten des zerrissenen Ichs.

Als mein zerrissenes Ich am meisten zu kämpfen hatte, wies mir mein Herz den richtigen Weg.

Ich hatte als Landespromotionsbester die Zahnmedizinhochschule in Temeswar absolviert und bekam die Möglichkeit als Lehrkraft an der Uni zu bleiben, ja sogar, mir einen Lehrstuhl auszusuchen. Ich wählte Prothetik, mein auch bis heute liebstes Fach und stürzte mich voller jugendlichem Elan in die Arbeit. Wie jeder Hochschulabgänger musste ich eine zweijährige Assistenzzeit in einer Poliklinik abarbeiten, bis ich dann endgültig dem Lehrstuhl zugewiesen werden sollte. Seitdem waren meine Tage voll ausgefüllt. Wenn ich nicht am Patienten arbeitete, las ich wie ein Wilder Fachliteratur. Alle meine Chefs peitschen mich voran, da ich der Einzige weit und breit war, der mehrere Fremdsprachen beherrschte und alle ganz besessen darauf waren sich durch Publikationen in der internationalen Fachliteratur zu behaupten. Sie ließen mich richtig “ackern“ und ich schlug mir so manche Nächte um die Ohren, um mit allem rechtzeitig fertig zu werden. Für mich hieß das viel Arbeit, aber auch offene Türen zu den besten Bibliotheken und zu wertvoller Fachliteratur. Nachdem ich mir genügend Wissen angeeignet hatte, publizierte ich auch selbst, wurde angehalten die Temeswarer Fachkongresse zu organisieren, durfte mit Referenten korrespondieren und mich mit ihnen austauschen. Kurz und Gut ich fand Freude an der Wissenschaft und an den akademischen Gepflogenheiten, meine Arbeit wurde anerkannt und ich fühlte mich nützlich. Im Frühjahr 1987 wurde mir in einer Senatssitzung mitgeteilt, dass ich mit einer Führungsfunktion in dem Gremium beauftragt werde, das im Kreise Temesch, die medizinischen Fachtagungen organisiert.  Außerdem gab man mir die Möglichkeit, meinen zweiten Doktortitel anzustreben und als Lektor aufzusteigen. Eigentlich, zuviel des Guten. Und, wie erwartet, kam die böse Überraschung ein paar Tage später.

Ich wurde zum Dekan bestellt. Es klang sehr offiziell, was ja nicht unbedingt gut war. Ich hatte ein mulmiges Gefühl als ich die Treppen in dem dunklen, übel riechenden Korridor, zum Dekan-Büro hochstieg. Die schweren Steintreppen hatten einen herben, trockenen Klang. Wie viele Hoffnungen, Ängste und Gewissenqualen wurden wohl dort täglich hochgeschleppt? Für wie viele Leute war diese Tür wohl ein wahrhaftiges Schicksalstor? Seine Sekretärin lächelte mich an und meinte es würde noch etwas dauern. Sie bot mir einen Kaffee an, was ja in den achtziger Jahren nicht mehr üblich war. Richtigen Kaffee gab es in Rumänien, offiziell, nicht mehr, nur noch das „Gemüsch“, gestreckt, verlängert und denaturiert, dass niemand haben wollte. In Ärztekreisen war es aber nicht präsent. Ich bekam eine Tasse von der edelsten Sorte. Die Tochter der Sekretärin war meine Patientin und die Mutter war mir zugetan. Sie umgab mich mit liebender Sorge, als wüsste sie was mir bevorstand.

Dann wurde ich zum Dekan hineingebeten. Nach den üblichen Floskeln, kam dieser gleich zur Sache. Er versuchte meinen Werdegang nachzuvollziehen und meinte ich sei der Jüngste am Medizinischen Institut, dem so ein Weg eröffnet werde. Ob ich allerdings glaubte, als Deutscher, in Rumänien jemals Professor werden zu können?!? Seine Stimme hatte jenen unnachahmlichen Tonfall, der entsteht, wenn sich Allwissenheit, Ablehnung, Ideologie und pädagogischer Eifer mit Neid und Schadenfreude mischen. Er gab mir ganz deutlich die Ausgrenzung zu spüren. Ich habe ihm keine Antwort  gegeben. Mit trockener Kehle stand ich auf und ging, ohne mich zu verabschieden.

Für mich brach eine Welt zusammen. Alle Phantasieschlösser, die ich in den letzten Monaten aufgebaut hatte, fielen krachend zusammen. Hiroshima war ein Witz dagegen. Ein Glück, dass das Wochenende dazwischen lag und ich meine Gedanken in Ruhe wieder ordnen konnte. Ich haderte mit mir, aber ich wusste, dort müsse ich weg! Ich hatte soviel Arbeit, Zeit und Geld investiert. Sollte ich nun alles liegen lassen, weglaufen um dann, vielleicht, in einer gerechteren Welt, von Vorne anzufangen? Was sollte mit meinen Eltern passieren? Würden sie Schwierigkeiten bekommen? Würde ich sie jemals wieder sehen? Was, mit meiner Wohnung und all dem was ich mir so mühsam angeschafft hatte?

In meinem Kopf hämmerten tausend Fragen. Mein Ego war lädiert. Ich fühlte mich wie ein Zug mit einer fünfachsigen Dampflokomotive, der nach langer Fahrt, ausgebrannt, kurz davor ist auf ein Nebengleis geschoben zu werden um dort nur noch zweitklassige Aufträge auszuführen. Ich kannte die Strickmuster in der sozialistischen Gilde der Hochschulkader. Es war wie „Schlangestehen“ in der Ostblockrealität. Man hat sich hinten angestellt ohne zu wissen was es zu kaufen gab. Und wie oft passierte es, dass es nichts mehr gab, wenn man an der Reihe war. Was nütze es, sich immer und immer wieder auf den idealen, reinen, edlen Pfad der Tugend zu schwingen, wenn einen das Betonblock-System mitten aus den trotzigsten, adligsten Entschlüssen, plötzlich und unentrinnbar in Korruption, Lumperei, Alltag und Gewöhnlichkeit zurückwarf? Wenn jeder Anlauf und Versuch gleich anschließend nach Unzulänglichkeit roch und alles darauf eingerichtet war das Verlogene und Gemeine triumphieren zu lassen? Mit Resignation hätte ich mich aber nie abfinden können. Für mein Temperament gab es nur die Flucht nach vorne. Ich musste weg und war bereit alle Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Mein Geist hatte sich bereits freigeschüttelt doch Angst und Sorge um meine Eltern hingen wie Eisenfesseln an meiner Seele. Doch für mich gab es nur zwei Alternativen: sollte ich mich unterwerfen und schweigend-ängstlich mitlaufen, das Böse stillschweigend dulden oder den blasierten Stier an den müden Hörner packen und mich endgültig befreien?

Wenn ich als Kind, Sonntagnachmittag mit meinen Eltern an der Temeswarer Lloyd-Zeile flanierte, musste ich immer an den Springbrunnen hinauf gehoben werden. Im Wasserstrahl der speienden Fische konnte ich ewig lange spielen. Ein älterer Herr der mich lange genug beobachtete, meinte ich solle die Hand an den Bauch des Fisches halten und ihm sagen, ob ich was fühlte. Es machte „Bumm, Bumm, Bumm“, im Sekundentakt. „Ja“, sagte der unbekannte Herr, das sei das Herz des Fisches, das so laut klopfe, weil er dort eingemauert sei und  leider nie wegschwimmen könne.

Ich war, Gott sei Dank, nicht eingemauert, nur mit einem sozialistischen Knoten um ein Angst-Syndrom verschnürt. Den musste ich lösen und weit, weit weglaufen.  Hals über Kopf organisierte ich meine Flucht. Ich war entschlossen das Amalgam aus Anpassung, Furcht und Minimalloyalität gegenüber einem nichtüberzeugenden Staatsdirigismus zu durchbrechen. Mein Herz und meine Entschlossenheit halfen mir dabei. Ich wünschte mir ein freier Bürger zu sein, der selbst entscheidet wann er Eigenverantwortung übernehmen soll. Dort, in dieser wunderbaren, jedoch von Doktrinen niedergezwungenen Stadt, waren wir Deutschen doch keine Bürger. Wir waren Insassen, Staatsinsassen, und,  wie ich es schmerzhaft zu spüren bekommen hatte, auch nur ZWEITKLASSIGE!

Am 25. Juli 1987 war es soweit. Einen Abend davor beschloss ich, mich auch von meiner Vaterstadt zu verabschieden. Ich wusste damals nicht, wie lange es dauern oder ob ich noch jemals wiederkehren würde, und spürte einen Drang, meine gewohnten Pfade nochmals abzugehen, meine Augen nochmals an die Jugendstilfassaden und den üppigen Barock zu hängen, auch an die Stellen wo er nur noch zu erahnen war. Vom Neptungebäude lief ich der Bega entlang durch den Pionierpark, setze mich auf die weißen Bänke im Rosenpark und atmete den Duft und die Stille ein, um dann über die geliebte Bischofsbrücke den Corso anzusteuern.

Meine schöne, alte, herabgekommene und vernachlässigte Heimatstadt, bot mir ein Bild des Grauens. Der Abschied sollte mir nicht schwer fallen. Die vormals elegante, gepflegte Lloydzeile glich eher einer chaotischen Maulwurfslandschaft. Die Zeichen der dahinsiechenden Errungenschaften des wissenschaftlichen Sozialismus, stachen – Marx, Engels, Lenin und Stalin sei Dank – bitter ins Auge. Etliche bröckelnde Steinhausecken, Sandhaufen und Betonquader behinderten die Fußgänger. Ein vollgeregneter  Graben rann über und sandte einen schmalen, trüben Bach über die Straße. Verdreckte Gehsteige, von tausend Fußspuren zerfurcht, glichen einem nach dem Regen zerpflügten Hinterhof, nicht aber einer Promenade. Die Gesichter meiner Mitmenschen waren traurig und grau. Ich bewegte mich auf der ehemaligen Prachtstrasse, ich ruderte durch ein Meer von Unzufriedenen, Geplagten, von Gott und der Welt Vergessenen. Zur politischen Anarchie, kam nun auch die Unterirdische. Die ungesicherten Gräben, wirkten wie Einstiegslöcher in die Hölle. Zwischen den ehemals stolzen Gladiolen auf dem sonst immer gepflegten Park-Mittelstreifen wucherte Brennesselgestrüp. Entlang der Strasse ragten die skelettierten Laternenmasten  - der ersten elektrifizierten Stadt Europas -  OHNE GLÜHBIRNEN, als Mahnmal der Verarmung in die Höhe.

Es war 1987. Europa war im Aufblühen, aber uns hatte man vergessen. Obwohl Temeschburg näher am Zentrum Europas war als Wien, München oder Paris. Ca. 700 km weit von Temeswar, außerhalb des Städtchens Rachiw, in der Bukowina gelegen, einen Steinwurf von der rumänischen Grenze entfernt, steht die steinerne Originalsäule, die österreichisch-ungarische Geografen einst in diesen weltentfernten Reichsgipfel pflanzten. Ihre lateinische Inschrift lautet: „Ständiger, genauer, ewiger Ort. Zentrum Europas, festgelegt im Jahr 1887.“ So nahe dran und trotzdem jenseits von Gut und Böse? Wir lagen eher nah am Zentrum der europäischen Achtlosigkeit. Als Puffer zwischen West und Ost, wurden wir im letzten Jahrhundert aus beiden Himmelsrichtungen nur höhnisch beobachtet, erobert, aufgeteilt, geplündert und kleinmütig im Stich gelassen. Im Dickicht dieser seltsamen Heimatgeschichte prallten die Gegensätze ungebremst aufeinander. Das reale Europa war von diesem emotionalen Resonanzboden ferner weg als von so manchem Übersee-Archipel. Im Banat und vor allem in Temeschburg, lebten tausende Kosmopoliten, die man im angestrebten, sich vereinenden Europa so bitter nötig hatte. Dieser Schmelztiegel von zig Nationalitäten die fließend mehrere Sprachen beherrschten und  im täglichen Gebrauch, im Sinne der Vielvölkerverständigung auch einsetzten, waren Welt- und Europagewandter als so mancher Westbürger, obwohl sie ihre Ostblock-Heimat noch nie verlassen  durften. Und trotz allem, gehörte unsere Heimatstadt 1987, eher zu den Stiefkindern Europas.

Dann schritt ich durch die langen, dunklen Schatten der uralten Gemäuer auf den Domplatz zu, hin zu einer für mich sehr vertrauten Bank, setzte mich und blickte auf den Dom. Es war ein warmer, typischer Temeschburger Sommerabend. Mit üppigem Grün, duftendem Gras, zirpenden Grillen und geschmolzenem Asphalt. Die Giebel und Fenstersimse der Häuser auf dem Domplatz spiegelten ihre barocke Architektur in einem Meer von warm-grauen Nuancen. Die Luft flimmerte und ich ließ meine Jugend Revue passieren. Dumpf, vertraut und trotzdem traurig schlug die Kirchenglocke acht Mal. Der Glockenschlag rief mich zurück in die völlig vergessene Wirklichkeit. Mein Herz zog sich zusammen, als könnte ich den Nachhall fühlen. Nur die Kirchentürme lagen noch im müde werdenden Sonnenlicht und lugten mit ihren Kreuzen in die letzten Wipfel des scheidenden Tages. Und wieder war mein Herz beklommen. Ich blickte auf den ruhigen Platz und merkte wie tief mein Gemüt und Wohlsein doch abhängig war von diesen Dächern, Türmen, Säulen und Pflastern. Ich drehte mich um, um einen letzten Blick zu erhaschen. Seidig bauschten sich Wolken, im purpurnen Abendrot. Wenn es einen Gott gibt, dann guckte er im betreffenden Moment auf die Erde. Der Himmel leuchtete seltsam geheimnisvoll. Das Zwielicht lenkte mich ab. Ich sah nur noch die Ewigkeit und während ich Abschied nahm, sprach ich zu Gott, er möge meine Vaterstadt beschützen. Ich meinte zu sehen, wie der Himmel sich bewegt. Die Wolken schwebten auf dem pastellenen Hintergrund. Wie ein Abschiedslächeln einer untergehenden Zeit, voller Wohlwollen und behaglicher Laune. Leise und sanft, wie ein Hauch in der Dämmerung, streichelte der Wind mein Gesicht und mahnte mich zu gehen.

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